Eisenerzgrube Lengede-Broistedt

Das Wunder von Lengede


Touristische Informationen:

Ort: Salzgitter Lengede-Broistedt.
(52.199987, 10.324977)
Öffnungszeiten: Keine Einschränkungen.
[2021]
Eintrittspreise: frei.
[2021]
Typ: MineEisen
Licht: n/a
Dimension:  
Führungen: nein
Fotografieren: erlaubt
Zugänglichkeit: ja
Literatur: Otto Bilges et al. (1987): Die Lichter sind erloschen - Über den historischen Bergbau im Landkreis Peine, Doris Bode Verlag, Haltern 1987, ISBN 3-925094-07-5.
Rainer Slotta (1986): Technische Denkmäler in der Bundesrepublik Deutschland, Band 5, Teil 1: Der Eisenerzbergbau, Deutsches Bergbaumuseum, Bochum 1986.
Johannes Fischer, Niklas Irlich (2017): Die Eisenerzgrube Lengede-Broistedt 1872-1977 Eine Abhandlung über 105 Jahre Bergbaugeschichte in Lengede. Books on Demand; 1. Edition, 316 Seiten, ISBN-10: 3743187620, ISBN-13: 978-3743187627
Adresse: Touristinfo Braunschweig, Kleine Burg 14, 38100 Braunschweig, Tel: +49-531-470-2040, Fax: +49-531-470-2044. E-mail:
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Geschichte

1824-1825 Erste erfolglose Verhüttungsversuche dokumentiert.
1860 Erste schriftliche Erwähnung des Tagebaus.
17-NOV-1872 Grundstückskauf durch die Ilseder Hütte.
1884 Schmalspurbahn für den Erztransport.
1889 Reichsbahnstrecke Hildesheim-Braunschweig über Broistedt fertiggestellt.
1912 Beginn von Schacht Anna.
1914 Umstieg auf untertägigen Abbau mit einfallenden Strecken vom Tagebau aus.
1921 Fertigstellung von Schacht Mathilde und Beginn der Tiefbauförderung.
24-OCT-1963 Grubenunglück von Lengede.
1964 umfassenden Modernisierung der Grube.
26-JAN-1968 Grubenunglück mit 12 Toten durch Sprengstoffexplosion.
30-DEC-1977 Stillegung wegen Erschöpfung der wirtschaftlich gewinnbaren Erzvorräte.
1979 Rückbau abgeschlossen.

Geologie

Die Eisenerzlagerstätte Lengede-Broistedt bildet eine 5 km lange und 1,5–2 km breite Mulde. Sie erstreckt sich nordöstlich-südwestlich und fällt von Norden nach Süden mit etwa 6–10 gon ein. Durch die Muldenform lagen die Erze am Nordrand am höchsten und erreichten zwischen den Ortschaften Vallstedt und Barbecke sogar die Erdoberfläche. Der tiefste Punkt der Lagerstätte ist etwa 100 m tief.

Das Erzlager ist eine sogenannte Trümmererzlagerstätte. Das Meer der Oberkreide hat Toneisensteine (Geoden) aus dem Ton ausgewaschen, in den sie eingebettet waren. Dieses Erz reicherte sich in einer Mulde an, in die es durch Meeresströmungen zwar hineingeraten konnte, durch sein hohes Gewicht aber nicht mehr verlassen. Die Hohlräume wurden dann durch tonige und kalkige Binder aufgefüllt. Diese Ablagerung enthält 26–29 % Eisen, 16–18 % Kalk und 14–17 % Kieselsäure.

Bemerkungen

Dies ist ein ziemlich seltsamer Ort, und es ist eigentlich kein Schaubergwerk. Es gibt keine Führung unter Tage, nicht einmal ein Bergbaumuseum. Eigentlich gibt es kaum etwas außer einer spannenden Geschichte und einem Film. Aber fangen wir mal ganz am Anfang an.

Die Eisenerzgrube Lengede-Broistedt ist ein Eisenbergwerk bei dem kleinen Ort Lengede. Erste erfolglose Verhüttungsversuche sind aus den Jahren 1824-1825 belegt. Um 1860 gab es einen Tagebau, wahrscheinlich noch früher wilden Abbau durch örtliche Bauern. Der moderne Bergbau begann mit dem Kauf des Gebietes durch die Ilseder Hütte von Julius Lüchau, einem Kaufmann aus Hannover. Sie begannen mit dem systematischen Abbau und nachdem sie den Boden von Hand abgetragen hatten, stieg der Abbau 1877 auf 15.000 t. Die oberflächennahen Teile des Erzes wurden im Tagebau abgebaut. Ab 1884 gab es eine Schmalspurbahn zur Hütte nach Groß Ilsede, 1889 wurde die spätere Reichsbahnstrecke Hildesheim-Braunschweig über Broistedt fertiggestellt. Damit konnte das Erz optimal abtransportiert werden.

Im Jahr 1914 war mit 20 m Überlagerung die damalige Rentabilitätsgrenze erreicht. Es wurde also billiger untertägig abzubauen, und so wurde bereits 1912 mit dem Schacht Anna begonnen, der 1915 in 65 m Tiefe da Erzlager erreichte. Zunächst wurde jedoch noch vom Tagebau aus in einfallenden Strecken und rechtwinkligen Querschlägen abgebaut. Mit der Fertigstellung von Schacht Mathilde 1921 erfolgte eine Förderung der Erze ausschließlich über die Tiefbauschächte. Durch die Weltkriege wurde der Abbau erheblich gesteigert. Der höchste Belegschaftsstand wurde 1921 mit 2110 Frauen und Männern erreicht. Nach dem Krieg ging die Belegschaft zurück, der Abbau wurde aber durch mechanisierung des Abbaus weiter erhöht.

Das Grubenunglück von Lengede ereignete sich am 24. Oktober 1963. Gegen 20 Uhr brach der Damm des zur Grube gehörenden Klärteich 12 und ca. 475.000 m³ Wasser und Schlamm strömten in die Grube Mathilde. Die Grube wurde von der 100-m-Sohle bis zur 60-m-Sohle überflutet. Zu diesem Zeitpunkt waren 129 Bergleute unter Tage. Zwei konnten über Schacht Mathilde ausfahren, 41 über den Schacht Osten 1. Weitere 36 stellten Leitern in den Bewetterungsschacht Westen 14, die Grubenwehr ließ von oben eine Strickleiter herab. So konnten sich bereits in den ersten Stunden 79 retten.

Doch nun begann das Bangen, verschiedene Gruppen von Überlebenden waren in unterschiedlichen Teilen der Grube eingeschlossen. Dort waren sie von jeglicher Versorgung abgeschnitten, am schlimmsten war die fehlende Versorung mit Atemluft. Die Rettung erfolgte mit Suchbohrungen, Teile der Grube, die zu hoch lagen, um überflutet zu werden wurden gezielt angebohrt. Gleichzeitig wurde das Wasser aus der Grube gepumpt und so der Wasserspiegel abgesenkt. Dadurch konnten sich einige Bergleute selbst befreien oder wurden mit einem Floß gerettet. Eine Gruppe von 21 Bergleuten hatte sich in einen bereits aufgegebenen Teil des Bergwerks gerettet, waren dort aber eingeschlossen. Zehn waren in den Folgetagen durch herabfallende Gesteinsbrocken ums Leben gekommen. Über eine Suchbohrung mit einem Kaliber von 58 mm wurden sie mit Nahrung und Kleidung versorgt. Nach 14 Tagen wurden sie durch eine Rettungsbohrung mit einem Durchmesser von etwa 40 cm gerettet. Dazu wurde eine Dahlbuschbombe eingesetzt, eine 2,5 Meter lange und 38,5 Zentimeter breite, torpedoförmige Rettungskapsel, die durch die Bohrung abgesenkt wird und mit der die Bergleute einzeln hochgezogen wurden.

Das besondere an diesem Grubenunglück war einerseits die massive Medienbeteiligung. In ganz Deutschland fieberten die Leute bei jeder Neuigkeit mit, die Spannung stieg ins Unermessliche. Zwei Wochen Unterhaltung, bei der es um Menschenleben ging. Politiker reisten an, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Zeitweise befanden sich 366 Zeitungsreporter aus aller Welt sowie 83 Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter vor Ort. Und eine ganze Reihe von glücklichen Umständen, die die Rettung erst möglich machten. Schließlich wurde die Rettung unter dem Namen "Wunder von Lengede" bekannt.

Das Unglück und die Rettung waren ein derart integraler Teil der jungen Bundesrepublik, noch viele Jahrzehnte später wusste jeder, der dabei war, was das Wunder von Lengede ist. So wurde das Geschehen 1969, 1979, 1997 und 2003 in Dokumentarfilmen bearbeitet. Und in 2003 wurde es schließlich als zweiteiliger Spielfilm äußerst erfolgreich verfilmt.

Vor Ort ist heute wenig erhalten geblieben. Die Bahnstrecke ist fast unverändert, einige wenige Gebäude des Bergwerks sind erhalten werden jedoch anderweitig genutzt. Die gefluteten Tagebaue im Norden sind inzwischen Badeseen oder Naturschutzgebiete. Doch der eigentliche Platz der Rettungsbohrung ist heute ein Denkmal. Der Verschluss der Bohrung ist ein Denkmal und eine Wand um den kleinen Platz gibt die Eckdaten und die namen der Verunglückten und geretteten an. Ein Nachbar hat sogar eine kleine Bergbauausstellung mit einer Dahlbuschbombe in seinem Garten. Doch trotz der extrovertierten Ausstellung hat er einen massiven Zaun und aggressive Wachhunde die jeden Besucher verbellen.