Jugendstiltoilette

Öffentliche Bedürfnisanstalt am Graben


Touristische Informationen:

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Graben, 1870, Wien, Österreich. Public Domain.
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Plan der Toilette am Graben, Wien, Österreich. Public Domain.
Ort: Graben 22, 1010 Wien.
(48.2090655, 16.3691848)
Öffnungszeiten: Ganzjährig Mo-Sa 10-20, So 10-17.
[2025]
Eintrittspreise: frei.
[2025]
Typ: SubterraneaAbwasserleitungen
Licht: LightBeleuchtung mit Glühlampen
Dimension:  
Führungen: nein
Fotografieren: erlaubt
Zugänglichkeit: nein
Literatur:  
Adresse: Jugendstiltoilette, Graben 22, 1010 Wien, Tel: +43-.
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Geschichte

14-MÄR-1905 Bedürfnisanstalt in Betrieb genommen.
1988 Josefsbrunnen und Toilette saniert.

Bemerkungen

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Öffentliche Toilette am Parkring, älteste erhaltene Anlage dieses Typs. Wien, Österreich. Public Domain.
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Öffentliche Toilette im Volksgarten, stark verändert. Wien, Österreich. Public Domain.

Jugendstiltoilette ist nicht wirklich der Name dieses Ortes, "Öffentliche Bedürfnisanstalt am Graben" aber wohl auch nur eine Beschreibung. Tatsächlich ist es einfach nur eine ganz normale öffentliche Toilette, allerdings tatsächlich aus dem Jugendstil. Zudem ist sie auch die einzige die noch erhalten ist, von über 50 öffentlichen Toiletten die 1905 in Wien errichtet wurden. Die offizielle Bezeichnung war damals „unterirdische Bedürfnisanstalten für Menschen beiderlei Geschlechts“. Diese hier am Graben war zudem die erste, außerdem steht sie unter Denkmalschutz. Und es ist immer noch eine öffentliche Toilette, die man benutzen darf.

In der Innenstadt von Wien befindet sich der Graben, eine Fußgängerzone. Gleich bei der Peterskirche gibt es einen kleinen Brunnen, den Josefsbrunnen, und auf jeder Seite davon eine Treppe die in den Untergrund hinunterführt. Die eine ist für Damen, die andere für Herren. Und das war damals die große Neuerung, bis zu diesem Zeitpunkt gab es zwar Pissoirs für Herren, aber keine öffentlichen Toiletten für Frauen. Sie verrichteten ihr Geschäft bei Zugehfrauen mit Kübeln.

Wilhelm Beetz kannte Berliner Bedürfnisanstalten und bot so 1880 dem Wiener Magistrat den Bau und Betrieb solcher Anstalten an. Solche neumodischen und unziemlichen Ideen forderten den Widerstand geradezu heraus, und so wurde ihm natürlich die Genehmigung verweigert. Erst 1883 durfte er die erste auf der Landstraßer Hauptstraße erbauen, dann eine weitere im Volksgarten. Diese ersten waren Häuschen aus Holz. Er entwickelte ein Serienmodell, wie es am Parkring noch original erhalten ist, das zu dieser Zeit Closet-Häuschen, also „geschlossenes“ Häuschen genannt wurde. Und zudem entwickelte er den Ölsiphon mit einer Flüssigkeit, die er Urinol nannte und deren Zusammensetzung streng geheim war. Es bestand wohl aus schwerem Mineralöl und desinfektionsmittel, und funktionierte, indem es auf dem Urin schwamm und somit den Geruch versiegelte. Das war ein funktionierender Geruchsverschluss, der eine Wasserspülung ersetzte, was an Stellen ohne Wasseranschluß extrem praktisch war. So hatte Beetz das Trockenurinal erfunden.

Die Bedingungen für den Betrieb solcher Toiletten waren nicht einfach. Beetz musste eine hohe Kaution hinterlegen, Platzmiete bezahlen, das Errichten und den Betrieb bezahlen, was Gas, Wasser und Personal einschloss, und dann noch 3 % der Bruttoeinnahmen an die Gemeinde Wien abführen. Die Benützung wurde damals als billig empfunden, mit 4 Kreuzern für die 1. Klasse und 2 Kreuzern für die 2. Klasse. Anfangs waren die Einnahmen also eher gering, aber bald stellten sie sich als lukrativ heraus. 1904 betrieb das Unternehmen bereits 58 Toiletten, zeitweise waren es über 200.

Trotz der Notwendigkeit und der Vorteile von öffentlichen Toiletten gab es vor allem am Anfang erhebliche Widerstände. Anwohner und Hauseigentümer protestierten, die Presse unterstützte den Protest. Wogegen sie eigentlich protestierten bleibt unklar, schließlich kann jeder Hausbesitzer froh sein, wenn die Passanten auf ein öffentliches Klo gehen, anstatt ihm ans Haus zu pinkeln. Neben der Geruchsbelästigung sind auch Gebäudeschäden zu befürchten. Dennoch waren die Leute dagegen.

Die Toilette wurde im Secessionsstil errichtet. Zwei Abgänge führen zu zwei Toilettenanlagen, für Frauen und Männer, dazwischen befindet sich ein kleiner Aufenthaltsraum für die Wartefrau. Jede Seite hat sechs WC-Kabinen. Zusätzlich gibt es bei den Männern 12 Pissstände. Der Raum ist gefliest, die Trennwände und Türen bestehen aus Eichenholz, die Klobrillen sind aus Teakholz gefertigt, Beschläge sind aus Messing und die Trennwände besitzen Zierfenster aus geschliffenem Glas. Die Kabinen sind äußerst komfortabel, neben der Toilette gibt es ein eigens Waschbecken, einen Seifen- und einen Handtuchspender. Etwas eigentümlich mutete es heutzutage an, dass die Toilettenkabinen für den Besucher von der freundlichen Klofrau persönlich mit einem Schlüssel zugeschlossen werden muss. Das Geländer ist Schmiedeeisen, und sogar der Treppenabgang ist bis zur Decke gefliest.