Anchialine Höhlen


Der Begriff anchialin ist griechisch und bedeutet wörtlich am Meer. Obwohl dies bei anchialinen Höhlen der Fall ist, ist die genaue Definition dieses wissenschaftichen Fachbegriffs etwas anders. Anchialine Höhlen sind sowohl Binnen- als auch Meereshöhlen zur gleichen Zeit, sie verbinden das Land mit dem Meer. Und als Ergebnis verbinden sie das Süßwasser des Grundwasserkörpers mit dem Salzwasser aus dem Meer. Diese Situation hat sowohl geologische als auch biologische Folgen.

Aber zuerst werfen wir einen Blick auf die Morphologie, die Form einer solchen Höhle. Die meisten anchialinen Höhlen sind Karsthöhlen, mit einem trockenen oder flussartigen Höhlenteil weit im Landesinneren. Der nach unten gerichtete Höhlengang erreicht irgendwann das Grundwasser, wird wassergefüllt und öffnet sich schließlich unter Wasser ins Meer. Es gibt eine enorme Anzahl solcher Höhlen, was zunächst etwas erstaunlich ist. Denn Karsthöhlen bilden sich durch Grundwasser, das Karstgebiete unterirdisch entwässert. Es braucht dafür jedoch ein Gefälle, das Wasser fließt nicht bergauf, um das Meer zu erreichen, so dass die Grundwasseroberfläche immer an der Küste auf Meereshöhe beginnt und dann ansteigt. Entlang der Karstwasseroberfläche bilden sich Höhlen, die auf Meereshöhe beginnen (oder enden) und dann nach oben führen.

Die zweite große Gruppe von anchialinen Höhlen sind Lavaröhrchen. Solche Höhlen werden durch einen gasarmen Lavastrom gebildet, der eine feste Kruste bildet und schließlich, wenn der Ausbruch endet, ausfließt. Aber wenn das Magma das Meer erreicht, erhitzt die heiße Lava das Meerwasser, wird selbst schnell abgekühlt und wird hart. Das Ergebnis ist die Bildung von Kissenlava, aber keine Lavahöhle. So enden Lavaröhren immer an der Küste, die Bildug von untermeerischen Lavahöhlen ist nicht möglich.

Speläotheme unter dem heutigen Grundwasserspiegel sind ein Zeihen dafür, dass diese Höhlen einst trocken waren, weil sich unter Wasser keine Speläotheme bilden. Und das ist der Schlüssel zur Existenz von anchialinen Höhlen. In den letzten 2 Millionen Jahren befindet sich die Erde in einer sogenannten Eiszeit. Das bedeutet nicht, dass die Gletscher in den nördlichen Breitengraden mehrere Kilometer dick sind. Tatsächlich wächst und schrumpft das Eis kontinuierlich in seinem eigenen Rhythmus, und wir befinden uns zur Zeit am warmen Ende der Amplitude. Während der Kälteperioden war viel Wasser in den riesigen Gletschern gefroren, und der Meeresspiegel war 100 Meter niedriger als heute. Und in dieser Zeit entstanden Höhlen, sowohl Lava Röhren als auch Karsthöhlen, die in dieses viel niedrigere Meer entwässerten. Als die Kälteperiode endete, die Gletscher schmolzen und das Meer sich wieder füllte, wurden die Höhlen vom aufsteigenden Meer überflutet.

Anchialine Höhlen sind in den Tropen sehr verbreitet. Die meisten befinden sich auf der Halbinsel Yukatan, bekannt unter dem Namen Cenotes, oder auf den Bahamas als Blue Holes (Blaue Löcher). Offensichtlich spiegeln diese Namen nicht die Höhle selbst wider, da diese Höhle für unsere Vorfahren nicht sichtbar war. Sie beschreiben nur die fast kreisförmigen, mit blauem Wasser gefüllten Löcher, die Einstürze des darunter liegenden Höhlensystems sind.

Meerwasser ist schwerer als Süßwasser, wegen der Menge an gelöstem Salz. Süß- und Meerwasser vermischt sich nicht leicht, Salzwasser neigt dazu, unter Süßwasser zu fließen und bildet eine Art tiefere Schicht. Dadurch hat das Wasser in der anchialinen Höhle eine zweite Oberfläche, die einige Meter unterhalb der Süßwasser-Luft-Grenze liegt, die Salzwasser-Süßwasser-Grenze oder Halokline. Und diese sieht ähnlich aus wie die Wasseroberfläche, sie reflektiert sogar das Licht. Es gibt Bider von Tauchern die scheinbar über dem Wasser schweben, weil sie sich in der Süßwasserschicht über der Halokline befinden.

Die gleichzeitige Existenz von Süßwasser und Salzwasser hat weitreichende Folgen, sowohl für die Geologie als auch für die Höhlenbiologie. In solchen Höhlen gibt es unmittelbar nebenander verschiedene Lebensräume, Salzwasser, Brackwasser und Süßwasser.