Eduard Mörike
Die Historie von der schönen Lau

Worterklärungen, von Mörike selbst zusammengestellt:


(1): Die dunkle, vollkommen blaue Farbe der Quelle, ihre verborgene Tiefe und die wilde Natur der ganzen Umgebung verleihen ihr ein feierliches, geheimnisvolles Ansehn. Kein Wunder, wenn sie in alten Zeiten als heilig betrachtet wurde, und wenn das Volk noch jetzt mit abenteuerlichen Vorstellungen davon sich trägt. - Der Durchmesser des Beckens ist in der einen Richtung vom Wehr an 125', in der anderen 130', der Umfang also 408'. Der Prälat Weißensee nahm im Jahre 1718 eine Untersuchung vor und fand die Tiefe zu 63 ½ Fuß, gegen welchen Erfund, besonders von seiten des Volks, das sich die Unergründlichkeit nicht nehmen lassen wollte, mancherlei Einwendungen gemacht wurden. Das Ergebnis einer spätern Untersuchung, im Sommer 1829, war aber auch nur 71' am Punkt der größten Tiefe. Dieselbe befindet sich ziemlich in der Mitte des Topfs; nach den Seiten nimmt sie überall ab, so dass sich daraus wirklich eine trichterförmige Gestalt des Beckens ergibt. Die Untersuchung widerlegte auch die Meinung, dass Bäume und Baumstämme auf dem Grund versenkt liegen, denn das Senkblei fand nirgends den mindesten Widerstand. Mit Verwunderung vernahmen einzelne die Messung und fragten, ob denn das Senkblei unten nicht geschmolzen sei? denn eine alte Sage sprach von glühender Hitze in den untersten Schichten. - Die schöne Bläue des übrigens krystallhellen Wassers verstärkt sich mit zunehmender Tiefe; nur an dem Rande, wo die Vegetation einwirkt, fällt sie ins Grüne. Bis jetzt ist dieses Blau noch nicht genügend erklärt. Weder in der Umgebung noch in der Farbe des Grunds kann die Ursache liegen, weil das Wasser sein bläuliches Ansehen bis zum Ausfluß in die Donau behält. Ebensowenig hat eine chemische Untersuchung durch Prof. Schübler einen Gehalt an Metallen oder andern Stoffen, wodurch die Erscheinung veranlaßt werden könnte, gezeigt; das Wasser stellte sich nur reiner als die meisten Trinkwasser dar. - Sein Spiegel ist gewöhnlich ganz ruhig, so dass man kein Hervorquellen bemerkt; dennoch ist der Abfluß so stark, dass er nicht nur mittelst des an der Quelle angebrachten Brunnenhauses die ganze Stadt und das Kloster mit Wasser versieht, sondern auch ein ebenfalls daran stehendes Hammerwerk und unmittelbar darauf vier Mühlen treibt. Bei anhaltendem Regen und Tauwetter trübt sich die Quelle, wird auffallend stärker und so unruhig, dass sie beträchtliche Wellen aufwirft und Überschwemmungen verursacht. Im Jahre 1641 soll die Gefahr so groß gewesen sein, dass ein Bettag gehalten, eine Prozession zum Blautopf veranstaltet und zu Versöhnung der erzürnten Gottheit (allerdings keiner Nymphe) zwei vergoldete Becher hineingeworfen wurden, worauf das Toben nachgelassen habe. Unstreitig steht der Blautopf durch unterirdische Klüfte in Verbindung mit der Albfläche und insbesondere mit den darauf befindlichen Erdtrichtern. - Einige hundert Schritte von dem Topf ist ein zweiter ähnlicher Quell, der Gieselbach, an welchem einst die alte Niklaus-Kapelle und ein Nonnenkloster stand. (Nach Memmingers Beschr. d. Ob.-Amts Blaubeuren.) Zurück
(2): Lau, von La, Wasser, welches in lo, lau, b'lau überging, daher nach Schmid der Name des Flüßchens Blau (und Blautopf) abzuleiten wäre. Zurück
(3): Gumpen (der), gewöhnlich nur eine vertiefte Stelle auf dem Grunde des Wassers, hier das Ganze einer größeren Wassersammlung mit bedeutender kesselartiger Vertiefung. Wer etwa, wie einige ohne Not wollen, das Wort Topf im Sinn von Kreisel nimmt und es damit erklärt, dass das Wasser, besonders bei starkem Regen- und Tauwetter, wo es sich in der Mitte pyramidalisch erhebt, eine kreisende Bewegung macht, der wird unsern Ausdruck doppelt gerechtfertigt finden, da gumpen, gampen entschieden so viel ist als: hüpfen, tanzen, mutwillig hinausschlagen. Zurück
(4): Kleine Messer. Es war eine alte Sitte, die noch nicht ganz abgekommen ist, sich zum Zeichen der Freundschaft mit Messern zu beschenken; vorzüglich herrschte sie in den Klöstern. Der Mystiker Meister Heinrich von Nördlingen, Taulers und Susos Freund, schickte den Klosterfrauen zu Medingen öfters Messer zum Geschenke. Daher vielleicht die Redensart: Messerlein geben, d.h. nachgeben, Abbitte tun. Zurück
(5): Clusam, mäßig erwärmt (auch in moralischer Bedeutung: stillen Charakters). Zurück
(6): Gänge Pfade, begangene. Zurück
(7): Küllhasen, Kaninchen. Zurück
(8): Schachzagel (das), Schachspiel. Zurück
(9): Fernd, voriges Jahr. Zurück
(10): Kappis, Kohl. Zurück
(11): Öhrn, Hausflur. Zurück
(12): Habergeis, von heben, wegen der hüpfenden, hoppelnden Bewegung des Kreises. Zurück
(13):

Bauren-Schwaiger, vongeschweigen, stillen. Die alten Griechen und Römer hatten magische Kreisel, Rollen und Räder meist aus Erz, deren sich Frauen und Mädchen zum Liebeszauber bedienten, indem sie dieselben unter seltsamen Bannsprüchen herumdrehten. So in der zweiten Idylle des Theokrit. Nach einem Epigramm der griechischen Anthologie hatten vornehme Thessalierinnen dergleichen aus Edelstein und Gold, mit Fäden purpurner Wolle umwickelt, welcher besonders eine geheime Kraft inwohnen sollte. Natürlich hat man sich diese Kreisel weit kleiner, überhaupt von andrer Form als den unsem zu denken. In jenem Epigramm wird der Venus ein solches Weihgeschenk gebracht:

Nikos Kreisel, mit dem sie den Mann fern über das Meer zieht
Oder dem stillen Gemach sittige Mädchen entlockt,
Lieget, ein hell Amethystengerät und mit Golde verzierst,
Kypris, ein lieber Besitz, deinem Altare geweiht,
Mitten von Wolle des purpurnen Lamms umwunden. Larissas
Zauberin bracht' ihn dir, Göttin, ein gastlich Geschenk.

(S. Jacobs »Leben und Kunst der Alten«.)

Während der Stoff, woraus das Instrument der Larisserin bestand, zum Zweck selbst nichts beitrug, wird er in unsrem Fall Hauptsache, und die von den Alten dem Amethyst zugeschriebene Wirkung, derenwegen man sonst den Stein in Schmuckform bei sich trug, ist hier an den tönenden Kreisel geknüpft.

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(14): Das Selige. Selig, berauscht, ist nicht gleichbedeutend mit glückselig, obwohl darauf hinspielend, sondern gleichen Stamms mit Sal, Rausch, niedersächsisch; soûl, betrunken, französisch. - »Als verfälschten die Bürger den Landwein auf eine so unleidentliche Weise, dass mehrere Leute dass Selige berührt hätte.« Gemeiners Regensb. Chron. zum Jahr 1474. Zurück
(15): Söhnerin, Schwiegertochter. Zurück
(16): Susanne Preisnestel, scherzhafte Bezeichnung aufgeputzter Mädchen. Preis heißt der Saum am Hemd; prisen, einfassen; mit einer Kette, gewöhnlich von Silber, einschnüren, um den bei der vormaligen oberschwäbischen Frauentracht üblichen Brustvorstecker zu befestigen; der hiezu gebrauchte seidene oder wollene Bändel hieß Preisnestel. Zurück
(17): Aschengruttel (Aschenbrödel), sonst im Schwäbischen auch Aschengrittel und Aschengrusel genannt. Zurück
(18):

Einen roten Rock. Ein alter Reim, welchen die Wärterinnen hersagen, wenn sie die Kinder auf den Knieen reiten lassen, enthält schon diese Vorstellung:


Hotta, Hotta, Rößle,
Z'Stuagart steht a Schlößle,
Z'Stuagart steht a Gartahaus,
Guckat drei schöne Jungfra raus:
Die ein' spinnt Seide,
die ander' spinnt Weide,
Die dritt' die spinnt an rota Rock
Für unsern liaba Herragott.

(s. E. Meiers »Kinderreime«, S. 5.)

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(19): Baß, sehr, gut, besser. Zurück
(20): Unwirs, unwirsch, ungehalten. Zurück
(21): Wetterblicken; der Blick, Durnblick, Wetterblick, Blitz. Zurück
(22): Rusenschloß oder Hohen-Gerhausen, vormals eine gewaltige Bergfeste, jetzt äußerst malerische Ruine über dem Dorfe Gerhausen gelegen in der Nähe vom Ruck, einer minder bedeutenden Burg. Zurück
(23): Mahd (das), 1. die zu mähende Wiese, 2. das Gemähte. Zurück
(24): Jäst, Jast, Gärung, aufbrausender Zorn. Zurück
(25): Zuberklausl ein Mensch, der seltsame Einfälle hat; vielleicht, sagt Schmid, eine scherzhafte Verstümmelung des Wortes superklug, zugleich anspielend auf den Klaus Narr. Letzterer ist ohne Zweifel in dem Wort enthalten, im Übrigen hat diese Erklärung etwas zu Modernes. Ein humoristischer Etymolog nimmt die erste Worthälfte bar und will, ich weiß nicht, wo, gefunden haben, dass sich Klaus Narr eines solchen Geräts bei einem Ulmer Schifferstechen als Fahrzeugs, in Ermangelung eines ordentlichen Nachens, bedient habe. Zurück
(26): Lichtkarz, Karz, entweder von garten, müßig sein, umherschwärmen, z'Garten gehen, Besuch machen oder wahrscheinlicher von Kerze: Versammlung von Spinnerinnen, auch Vorsitz genannt. Zurück
(27): Spitzweise, spitzfindig; »mit spitzwysen Worten« (U1mer Urk). Zurück
(28): Ein steinernes Haus. Es ist das der Stiftskirche westlich gegenüberstehende, jetzt Architekt Mäntlersche Haus gemeint, das gegenwärtig noch »zum Schlößlein« heißt. Es soll den Herrn von Kaltenthal gehört haben; Memminger, in seiner Beschreibung der Stadt, macht es aber sehr wahrscheinlich, dass das Gebäude von Anfang gräflich wirtembergisches Besitztum, und zwar einer der Sitze oder eine der Burgen gewesen sei, die nächst dem Stutengarten die Enstehung von Stuttgart veranlaßt haben mögen. Zurück
(29): In natürlicher Kunst. Natürlich, naturkundig. »Von den sachen des siechtumbs nach gemainen löffen der natur schreiben die natürlichen maister«: Steinhöwel (Ulmer Arzt). Natürliche Meister sind aber nicht bloß Ärzte, sondern auch Philosophen. In dem »Buch der sterbenden Menschheit« heißt es: »Ein mächtiger wolgelerter man in philosophia das ist in natürlicher kunst«. Zurück
(30): Imperial, war ehmals eine Goldmünze; der Name ist nur noch in Rußland üblich. Zurück
(31): Spiriguckes, ein wunderwitziger, neugieriger, auf Kuriositäten erpichter Mensch von sonderbarem Wesen. Zurück
(32): Mir nex - usganga, sagt man am Schlusse der Erzählung einer Sache, die auf nichts hinausläuft. Zurück
(33): Bodalaus, bodenlos. Zurück
(34): Zuteuerst, sogar. Zurück
(35): Irrsch, nicht recht bei sich. Zurück
(36): s'leit a Klötzle, es liegt usw. Diese Zellen finden sich ebenso in E. Meiers »Kinderreimen«. Zurück
(37): Leirenbendel, langweiliges Einerlei; zunächst der schwäbische Volksname für einen Vogel, Wendehals. Zurück
(38): Gesetzlein, Sprüchlein, Strophe eines Lieds. Zurück
(39): Buntüberecks, verkehrt, durcheinander. Zurück
(40): Sottige, söttige, sotte, solche. Zurück
(41): Witzung, Witzigung, Warnung. Zurück
(42): Holdschaft, Liebschaft, zärtliche Freundschaft. Zurück