Abri

Felsüberhang


Cliff dwellings in Mesa Verde.

Ein Abri ist ein überhängender Fels, der kaum als Höhle bezeichnet werden kann. Der Begriff stammt aus dem Französischen und bedeutet Unterstand, Schutz oder Obdach. Ein alter deutscher Begriff dafür ist Balm, er wird aber nicht mehr verwendet und findet sich nur noch in Ortsnamen. Der französische Wort abri wird häufig in wissenschaftlichen Abhandlungen verwendet. Das liegt ganz einfach daran, dass sich die ersten wichtigen archäologischen Entdeckungen am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Felsüberhängen in Zentralfrankreich gemacht wurden. So wurde der Begriff abri zu einem internationalen wissenschaftlichen Terminus.

Meist lässt ein Abri genau das vermissen, was eine Höhle eigentlich ausmacht: ein dunkler Bereich, in den das Tageslicht nicht vordringen kann. Dennoch erfüllt er die Definition einer Höhle (siehe SpeleologyKlassifikation von Höhlen). Abris sind nicht von speläologischem Interesse, dagegen bieten sie eine wichtige Fundstätte für archäologische Ausgrabungen. Dies liegt an zwei Ursachen: zum einen bietet ein Felsüberhang den Menschen Schutz vor schlechtem Wetter, während er gleichzeitig Licht und Wärme herein lässt, zum anderen schützt der Überhang Hinterlassenschaften vor dem Wetter und deckt sie im Lauf der Zeit mit Geröll zu, das von der Felswand herunterfällt. Dies macht Abris zu den wichtigsten archäologischen Fundstätten, was prähistorische Funde angeht.

Abris entstehen vorwiegend durch Erosion. Insbesondere wenn sich verschieden widerstandsfähige Gesteine mit weniger widerstandsfähigen abwechseln. Da dies bei Sedimenten meist der Fall ist, sind Abris von allen Sedimentgesteinen bekannt. Besonders häufig treten sie jedoch bei Sandstein und Kalksteinen/Mergeln auf.

Eine andere Form der Erosion die zur Bildung von Abris führt, ist die Abtragung durch Flüsse oder das Meer. In beiden Fällen arbeitet das Wasser an einer Felswand und erzeugt eine meist horizontale Einbuchtung am Fels. Dabei ist die Art des Gesteins völlig unerheblich. Die entstandenen Halbhöhlen werden aber erst dann ein angenehmer Aufenthaltsort, wenn das Land angehoben wird oder der Fluss sich tiefer eingräbt und die Abris trocken werden.

Und schließlich sind viele Abris auch die Eingänge oder Ruinen von Karsthöhlen. Das sind also viel größere Höhlensysteme die durch die fortschreitende Erosion geöffnet wurden und zu einem großen Teil zerstört sind. Die erhaltenen Reste können häufig durch die vorhandenen Tropfsteinreste als ehemalige Höhle erkannt werden.

Berühmt sind im deutschen Sprachraum die Buntsandsteine des Leineberglands mit 1600 Abris und die vielfältigen Höhlen und Abris des Elbsandsteingebirges. Aber auch die Abris und Höhleneingänge des Lone- und Blautales mit ihren spektakulären Funden, den ältesten Kunstwerken der Menschheit.

Ebenfalls als Abris muss man die cliff dwellings des Mesa Verde National Parks in den U.S.A. bezeichnen. Im Westen der U.S.A. gibt es hunderte derartige Felsüberhänge mit Spuren der Ureinwohner, von archäologischen Ausgrabungen bis hin zu ganzen Städten.

Doch die berühmtesten Abris der Welt sind sicherlich die Felsüberhänge des Vezere Tals im Perigord in Frankreich. Hier nahm die moderne Urgeschichtsforschung ihren Anfang. Viele der Abris dort waren namensgebend (locus typicus, Typlokalität) für die Epochen der Urzeit.