Heimensteinhöhle


Touristische Informationen:

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Die Weiße Wand, Heimensteinhöhle, Deutschland.
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Oberer Eingang, Heimensteinhöhle, Deutschland.
Ort: 73272 Neidlingen.
Auf dem Heimenstein gegenüber der Ruine Reußenstein. A8 Ausfahrt Aichelberg/Weilheim-Teck, L1214 3 km bis Weilheim/Teck, links abbiegen L1200 durch Neidlingen 8 km, rechts abbiegen K1430 Richtung Lenningen-Schopfloch. Parken auf dem Wanderparkplatz "Bahnhöfle", 1 km/15 Gehminuten.
(48.5591772, 9.5537909)
Öffnungszeiten: keine Einschränkungen.
AUG bis DEZ untere Eingang offen.
[2024]
Eintrittspreise: frei.
[2024]
Typ: SpeleologyKarsthöhle SpeleologyAktive Wasserhöhle Durchgangshöhle
Licht: Taschenlampe mitbringen
Dimension: L=80 m, A=756 m NN, VR=20 m.
Führungen: nein
Fotografieren: erlaubt
Zugänglichkeit: nein
Literatur: Wilhelm Hauff (): Der Reußenstein, In: Die Fackel, Lesebuch für höhere Schulen, Vandenhoeck & Ruprecht online
Adresse: Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg, Esslinger Straße 8, 70182 Stuttgart, Tel. +49-711-238580. E-mail:
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Geschichte

~1240 Erwähnung eines Gerboldus Diktus de Haimenstein.
1251 Erwähnung eines Ulrich von Hamesthain, Gefolgsmann der Herzöge von Teck.
1296 Erwähnung eines Gerboldus von Heimenstein.
1477 Erwähnung der Margarete vom Stain von Heimenstein.
1596 Burg Heimenstein auf der Gadnerschen Karte abgebildet.
25-AUG-1983 Weiße Wand zum Naturdenkmal erklärt.

Bemerkungen

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Tor am unteren Eingang, Heimensteinhöhle, Deutschland.
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Die Ruine Reußenstein sieht man erst wenn man die Höhle verlassen hat, Heimensteinhöhle, Deutschland.
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Erosionsformen, Heimensteinhöhle, Deutschland.
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Aussicht vom Heimenstein auf Neidlingen, rechts die Ruine Reußenstein, Heimensteinhöhle, Deutschland.

Die Heimensteinhöhle ist benannt nach dem Heimenstein, einem markanten Felsen gegenüber der Ruine Reußenstein. Der Fels ist die Lage einer kaum noch erkennbaren Burg. Vom 13. bis zum 15. Jahrhundert wurden immer wieder Bewohner dieser Burg urkundliche erwähnt, die Burg selbst ist in einer Karte des 16. Jahrhunderts eingezeichnet. Die Heimensteinhöhle, die sich in diesem freistehenden Felsen befindet und eine Durchgangshöhle ist, war wohl in die Verteidigungsanlage integriert. Die fast völlig zerstörte Burg wird auch als Burgstall Heimenstein bezeichnet. Von der Anlage sind heute nur noch Reste des Halsgrabens erkennbar.

Dies ist ein Talrand, das Ende des Lindachtals in dem sich die Ortschaft Neidlingen befindet. Der Massenkalk des Weißen Jura (Malm) ist der Stufenbildner der Schwäbischen Alb, und er bildet auch hier am Talrand eine Stufe, die aus einer senkrechten Felswand aus Kalkstein besteht. Diese wird hier, wenig kreativ, als Weiße Wand bezeichnet. Dabei ist die Wand nicht gerade, sie bildet einzelne vorspringende Felsen und auch einige säulenartige Felsen. Das Naturdenkmal Weiße Wand beginnt am Talschluß beim Wanderparkplatz Bahnhöfle, folgt man dem Weg vom Parkplatz zum Heimenstein befindet man sich direkt oberhalb, was leider bedeutet, dass man die Felsen gar nicht sehen kann. Unterhalb der Felsen befindet sich die Karstquelle der Lindach, die gleich danach die Neidlinger Wasserfälle bildet. Diese sind nach dem Uracher Wasserfall wohl der zweitgrößte Wasserfall der Mittleren Alb, und mit ihren Tuffablagerungen äußerst sehenswert.

Die Heimensteinhöhle ist eine ehemalige Flußhöhle, die sehr schöne Gangprofile und Erosionsformen besitzt. Besonders auffällig sind Wasserstandsmarken und Kolke. Die Höhle wurde durch die Erosion des Albtraufs angeschnitten und dadurch wohl zum größten Teil zerstört. Der 80 m lange Rest bildet eine Durchgangshöhle. Von der Bergseite geht es steil hinunter, mit mehreren Biegungen, bis schließlich der 20 m tiefer gelegene zweite Eingang erreicht wird. Dieser befindet sich in der Felswand Richtung Reußenstein und bietet eine wunderschöne Aussicht auf die Ruine Reußenstein. Die Befahrung erfordert Trittsicherheit, ist aber ansonsten einfach.

Allerdings ist der untere Eingang von Januar bis Juli geschlossen, weil die Felsen Brutgebiet sind. Diesmal geht es nicht um Fledermäuse, sondern um Vögel wie Wanderfalken (Falco peregrinus), Dohlen (Corvus monedula), Kolkraben (Corvus corax) und Uhu (Bubo bubo), die auf unzugänglichen Vorsprüngen des Kalkfelsens ihre Nester bauen. Weil sich die Brutzeiten zwar überlappen aber nicht gleich sind, ergibt sich eine sechsmonatige Sperre. Diese Sperre gilt natürlich auch für das Klettern an den Felsen. In der Höhle gibt es eine Gittertür am unteren Ende, die in dieser Zeit geschlossen ist, sodass man den Bereich der Felswand nicht erreicht. Die Höhle selbst darf sogar im Winter besichtigt werden, sie ist keine Fledermaushöhle.

Bekannt wurde die Höhle durch eine romantische Guache von Louis Mayer von 1836, die auch als Stich publiziert wurde. Diese zeigt den unteren Eingang mit dem Blick zum Reußenstein. Auch wenn er durchaus fotorealistisch ist, zeigt er dennoch eine eigentlich gar nicht existierende Szene. Die Ruine Reußenstein ist zu nahe und zu groß, und sie ist aus dem Blickwinkel wie der Höhleneingang von innen dargestellt ist nicht sichtbar. Wir mussten zwei Fotos machen, eines vom Eingang und eines weiter vorne um die Ruine zu sehen. Zudem ist die Höhle selbst auf eine Weise dargestellt, dass die auffälligen Erosionformen, die der Zeichner offensichtlich nicht zu interpretieren wußte, gar nicht erkennbar sind. Das Bild ist jedoch Ausdruck einer sich entwickelnden romantischen Sicht von Naturdenkmälern, die auch in den Märchensammlungen von Wilhelm Hauff ihren Ausdruck findet. Er notierte auch eine lokale Sage, die vom Riesen Heim erzählt, der einst in der Höhle am Heimenstein wohnte. Deshalb der Name Heimenstein.


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Aussicht vom Portal ohne Ruine, Heimensteinhöhle, Deutschland.
Ausblick aus der Heimensteinhöhle auf den Reußenstein. Stich, Mayer 1836.

Die Burg Reußenstein liegt auf jähen Felsen weit oben in der Luft und hat keine Nachbarschaft als die Wolken und bei Nacht den Mond. Gerade gegenüber der Burg, auf einem Berg, der Heimenstein genannt, liegt eine Höhle, darinnen wohnte vor alters ein Riese. Er hatte ungeheuer viel Gold und hätte herrlich und in Freuden leben können, wenn es noch mehr Riesen und Riesinnen außer ihm gegeben hätte. Da fiel es ihm ein, er wollte sich ein Schloß bauen, wie es die Ritter haben auf der Alb. Der Felsen gegenüber schien ihm gerade recht dazu.

Er selbst aber war ein schlechter Baumeister. Er grub mit den Nägeln haushohe Felsen aus der Alb und stellte sie aufeinander, aber sie fielen immer wieder ein und wollten kein geschicktes Schloß geben. Da legte er sich auf den Beurener Felsen und schrie ins Tal hinab nach Handwerkern: Zimmerleute, Maurer und Steinmetzen, Schlosser, alles solle kommen und ihm helfen, er wolle gut bezahlen. Man hörte sein Geschrei im ganzen Schwabenland, vom Kocher hinauf bis zum Bodensee, vom Neckar bis an die Donau, und überallher kamen die Meister und Gesellen, um dem Riesen das Schloß zu bauen. Nun war es lustig anzusehen, wie er vor seiner Höhle im Sonnenschein saß und über dem Tal drüben auf dem hohen Felsen sein Schloß bauen sah; die Meister und Gesellen waren flink an der Arbeit und bauten, wie er ihnen über das Tal hinüber zuschrie; sie hatten allerlei Schwank und fröhliche Kurzweil mit ihm, weil er von der Bauerei nidits verstand.

Endlich war der Bau fertig, und der Riese zog ein und schaute aus dem höchsten Fenster aufs Tal hinab, wo die Meister und Gesellen versammelt waren, und fragte sie, ob ihm das Schloß gut anstehe, wenn er so zum Fenster hinausschaue. Als er sich aber umsah, ergrimmte er; denn die Meister hatten geschworen, es sei alles fertig, aber an dem obersten Fenster, wo er heraussah, fehlte noch ein Nagel.

Die Schlossermeister entschuldigten sich und sagten, es habe sich keiner getraut, sich vors Fenster zu setzen und den Nagel einzuschlagen. Der Riese aber wollte nichts davon hören und den Lohn nicht eher auszahlen, als bis der Nagel eingeschlagen sei.

Da zogen sie alle wieder in die Burg. Die wildesten Burschen vermaßen sich hoch und teuer, es sei ihnen ein Geringes, den Nagel einzuschlagen. Wenn sie aber an das oberste Fenster kamen und hinausschauten und hinab ins Tal, das so tief unter ihnen lag, und ringsum nichts als Felsen, da schüttelten sie den Kopf und zogen beschämt ab. Da boten die Meister zehnfachen Lohn dem, der den Nagel einschlage, aber es fand sich lange keiner.

Nun war ein flinker Schlossergeselle dabei, der hatte die Tochter seines Meisters lieb und sie ihn auch; aber der Vater war ein harter Mann und wollte sie ihm nicht zum Weibe geben, weil er arm war. Er faßte sich ein Herz und dachte, er könne hier seine Braut verdienen oder sterben; denn das Leben war ihm verleidet ohne sie. Er trat vor den Meister, ihren Vater, und sprach: ,Gebt Ihr mir Eure Tochter, wenn ich den Nagel einschlage?' Der aber gedachte, seiner auf diese Art loszuwerden, wenn er auf die Felsen hinabstürze und den Hals breche, und sagte ja.

Der flinke Schlossergeselle nahm den Nagel und seinen Hammer, sprach ein frommes Gebet und schickte sich an, zum Fenster hinauszusteigen und den Nagel einzuschlagen für sein Mädchen. Da erhob sich ein Freudengeschrei unter den Bauleuten, daß der Riese vom Schlaf erwachte und fragte, was es gebe. Und als er hörte, daß sich einer gefunden habe, der den Nagel einschlagen wolle, kam er, betrachtete den jungen Schlosser lange und sagte: "Du bist ein braver Kerl und hast mehr Herz als das Lumpengesindel da; komm, ich will dir helfen.' Da nahm er ihn beim Genick, daß es allen durch Mark und Bein ging, hob ihn zum Fenster hinaus in die Luft und sagte: Jetzt hau drauf zu, ich lasse dich nicht fallen.` Und der Knecht schlug den Nagel in den Stein, daß er festsaß; der Riese aber küßte und streichelte ihn, daß er beinahe ums Leben kam, führte ihn zum Schlossermeister und sprach: Diesem gibst du dein Töchterlein.' Dann ging er hinüber in seine Höhle, langte einen Geldsack heraus und zahlte jeden aus bei Heller und Pfennig. Endlich kam er auch an den flinken Schlossergesellen; zu diesem sagte er: jetzt geh heim, du herzhafter Bursche, hole deines Meisters Töchterlein und ziehe ein in diese Burg, denn sie ist dein."

Wilhelm Hauff: Der Reußenstein, In: Die Fackel, Lesebuch für höhere Schulen, Vandenhoeck & Ruprecht